Mehr christlich oder atheistisch?

England und Wales: Fünfmal mehr junge Männer im Gottesdienst

Fünfmal mehr junge Männer besuchen den Gottesdienst in Grossbritannien
Zwischen 2018 und 2024 hat der Gottesdienstbesuch in England und Wales um 56 Prozent zugenommen. Fünfmal mehr junge Männer besuchen heute einen Gottesdienst. Was ist in Grossbritannien los?

Die Zahlen, die in den letzten Jahren aus Grossbritannien kommen, sind erstaunlich – und scheinbar widersprüchlich. Einerseits nimmt das nominelle Christentum ab:

  • 2022 zeigte die Volkszählung zum ersten Mal einen Anteil der Christen unter 50 Prozent.  
  • «Grossbritannien tritt in sein erstes atheistisches Zeitalter ein», hiess es 2024
  • «Das Christentum in Grossbritannien ist unter Druck», berichteten wir im Juni 2024
  • Der Verlust des «kulturellen Christentums» wird sogar von Atheisten-Papst Richard Dawkins erwähnt – und betrauert.

Gleichzeitig nehmen die Meldungen über ein Wachstum an persönlichem Glauben zu, vor allem unter jungen Menschen:

Deutlich mehr Gottesdienstbesuch

Und jetzt die neueste Untersuchung der Britischen Bibelgesellschaft. Veröffentlicht unter «Die leise Erweckung», kommt Erstaunliches zutage: Während 2018 nur 8 Prozent der Bevölkerung regelmässig Gottesdienste besuchten, waren es 2024 12 Prozent, was eine Zunahme von 3,7 auf 5,8 Millionen Menschen entspricht – ein massiver Anstieg von 56 Prozent in nur sieben Jahren. Das Wachstum ist vor allem bei den Männern zu beobachten. 21 Prozent der Männer zwischen 18 und 24 Jahren in England und Wales geben an, mindestens einmal im Monat in die Kirche zu gehen, eine Zahl, die fünfmal höher ist als im Jahr 2018. Auch bei den Frauen dieser Altersgruppe ist der Zuwachs spektakulär (jetzt 12%), wenn auch niedriger. Der Gottesdienstbesuch der jüngsten Altersgruppe zusammengenommen ist von 4 Prozent vor sieben Jahren auf derzeit 16 Prozent gestiegen. Auch in der älteren Gruppe (25-34 Jahre) ist ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen: von 4  auf 13 Prozent (wiederum mit einem starken Schub bei den Männern, die 17 Prozent der Kirchenbesucher darstellen).

Nur bei den 45- bis 54-Jährigen ist ein Rückgang des Kirchenbesuchs zu verzeichnen (von 16 auf 13 Prozent), während die Zahlen bei den über 65-Jährigen wieder ansteigen (von 14 auf 19 Prozent).

Echte Diversität in Kirchen

Auch die Zusammensetzung der Kirche hat sich verändert. Derzeit gehören 32 Prozent der Kirchenbesucher einer ethnischen Minderheit an; das bedeutet, dass die Kirche ethnisch vielfältiger ist als die Gesellschaft als Ganzes. Tausende von ethnischen Gemeinden tragen sicher zur allgemeinen Zunahme des Gottesdienstbesuchs bei, allerdings ist das nicht der einzige Grund. Die Studie zeigt auch einen deutlichen Anstieg des Kirchenbesuchs bei weissen Männern, der allein in den letzten sieben Jahren von 3 auf 18 Prozent gestiegen ist.

In Bezug auf die Entwicklung der christlichen Konfessionen kommt der Bericht zu folgendem Schluss: «Während 2018 die Anglikaner 41 Prozent der Kirchenbesucher ausmachten, ist dieser Anteil auf 34 Prozent im Jahr 2024 gesunken. Die römischen Katholiken liegen mit 31 Prozent (früher 23 Prozent) dicht dahinter, der Anteil der Pfingstler am Gottesdienstbesuch ist von 4 auf 10 Prozent gestiegen.»

Junge Männer statt alter Frauen

Für den Bericht sind diese Daten eine «radikale Herausforderung für die seit langem bestehenden Vorhersagen über die Zukunft der Religion – und insbesondere des Christentums – im Grossbritannien des einundzwanzigsten Jahrhunderts»: «Statt eines anhaltenden Rückgangs sehen wir ein explosives Wachstum; statt einer Kirche, die überwiegend von älteren Frauen bevölkert ist, sehen wir eine steigende Zahl von Männern und jüngeren Generationen, die sich ihr anschliessen.»

Paul S. Williams von der Bibelgesellschaft kommentiert: «Wir haben festgestellt, dass sich die Kirche in einer Phase schnellen Wachstums befindet, das von jungen Erwachsenen und insbesondere von jungen Männern getragen wird. Gleichzeitig weist die Kirche eine grössere ethnische Vielfalt auf als je zuvor. Sowohl innerhalb als auch ausserhalb der Kirche sind junge Erwachsene geistlich engagierter als jede andere lebende Generation, wobei das Bibellesen und der Glaube an Gott zunehmen.»

Bibellesen wird populär

Mit anderen Worten: Die Jüngsten haben alle vorherigen Generationen in ihrem Glauben überholt. 19 Prozent der jungen Menschen in der jüngsten Altersgruppe geben an, dass sie ausserhalb der Kirche in der Bibel lesen.

Ein weiterer Beweis dafür, dass «das Christentum nicht mehr als bizarr, unsinnig oder peinlich empfunden wird», so der Bericht, ist die Tatsache, dass die 18- bis 24-Jährigen nach den über 65-Jährigen am zweithäufigsten der Aussage zustimmen, dass sie «gerne in der Öffentlichkeit beim Bibellesen gesehen werden» (32%), während 33 Prozent dieser Aussage nicht zustimmen. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass der christliche Glaube in England und Wales wieder «normalisiert» wird und wohl sogar «kulturell attraktiv» ist.

Vom Kultur- zum Überzeugungschristentum

Während die «Neuen Atheisten», die im Vereinigten Königreich mit Autoren wie Richard Dawkins oder Christopher Hitchens stark sind, lange den endgültigen Tod der Religion in Grossbritannien verkündet hatten, zeigen die Daten nun ein ganz anderes Bild.

Die Zahl der jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren, die nach eigenen Angaben «an einen Gott, Götter oder eine 'höhere Macht'» glauben, ist von 28 auf 45 Prozent gestiegen, ebenso in den Altersgruppen 25-34 (31% auf 40%) und 35-44 (37% auf 39%). Doch während die Ausübung des christlichen Glaubens stark zunimmt, gibt es auch eine gegenläufige Bewegung. Generell bezeichnen sich immer weniger Menschen als «christlich» im kulturellen Sinn. Das so genannte «nominelle Christentum» nimmt ab; es gibt immer weniger Menschen, die sich als Christen bezeichnen, aber kein sichtbares Engagement für diesen Glauben zeigen. Wer sich heute «Christ» nennt, tut dies mit immer grösserer Wahrscheinlichkeit aus Überzeugung und als Lebensstil – statt als ererbter Kirchenzugehörigkeit.

Der Trend hat umgekehrt

«Jahrzehntelang war der Kirchenbesuch und die nominelle Zugehörigkeit zum Christentum rückläufig, und man ging davon aus, dass sich dieser Rückgang fortsetzen würde und in gewisser Weise ein unvermeidliches Produkt der Moderne sei», folgert die Bibelgesellschaft aus dem Bericht. «Während der Rückgang sicherlich real war, wissen wir jetzt, dass sich der Trend umgekehrt hat. Eine neue Generation findet Hoffnung in der christlichen Botschaft und in den etablierten christlichen Gemeinschaften. Diese Hoffnung ist sowohl persönlich als auch sozial. Sie scheint den Hunger nach Verbundenheit, Zugehörigkeit und Sinn zu stillen, aber sie hilft auch dabei, ein sinnvolles Engagement in der Welt zu entwickeln, um einige der unlösbaren Probleme anzugehen, mit denen wir alle konfrontiert sind – Ungerechtigkeit, Ungleichheit, Klimawandel – und eine Alternative zu der individualistischen, wettbewerbsorientierten, materialistischen Weltsicht zu schaffen, die in den letzten Jahrzehnten die westlichen Gesellschaften dominiert hat.»

Zum Thema:
Säkularismus war gestern: UK: das überraschende Wiederaufleben des Glaubens
Dank Hongkong-Einwanderern: Chinesische Kirchen in UK wachsen am schnellsten
In der Nachchristenheit angekommen: England und Wales: Christen erstmals unter 50 Prozent

Datum: 12.04.2025
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Evangelical Focus / British Bible Society

Werbung
Livenet Service
Werbung