Queere Abendmahlsparodie: Blasphemie oder Kunst?
«Auf einer Bühne wurde an einem angedeuteten Tisch das berühmte `Letzte Abendmahl` von Leonardo da Vinci in verfremdeter Form nachgestellt. In die Rolle der Jünger waren Dragqueens und queere, zum Teil dunkelhäutige Personen geschlüpft, unter ihnen ein bärtiger Mann mit Bustier. Eine korpulente Frau mit Strahlenkranz, die queere Aktivistin Barbara Butch, sass an jener Stelle in der Mitte, wo bei Leonardo Jesus Christus platziert ist.» So beschreibt die NZZ die Szene an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von Paris.
Tiefpunkt und völlig überflüssig
Vertreter christlicher Kirchen kritisieren die «Travestie des Abendmahls» mit deutlichen Worten. Die französische Bischofskonferenz beanstandet «Szenen, in denen das Christentum verspottet und verhöhnt wurde, was wir zutiefst bedauern». Für den Vatikan sprach der Kurienerzbischof Vincenzo Paglia in der Zeitung «Il Giornale» von der «blasphemischen Verhöhnung eines der heiligsten Momente des Christentums». Nach Stefan Oster, Diözesanbischof in Passau, habe es sich insgesamt um eine «eindrucksvolle Eröffnung von hoffentlich friedlichen Spielen» gehandelt. Das «queere Abendmahl» sei allerdings ein Tiefpunkt gewesen und in der Inszenierung völlig überflüssig. Das «Allerheiligste» für viele Christen weltweit, die Eucharistie, sei verhöhnt und verspottet worden: «Dragqueens imitieren Jesus und die Apostel und machen das Ganze zu einer queeren Party mit Modenschau», erklärt er in einem separaten Videobeitrag.
In «Weltwoche daily» vom 29. Juli kommentiert auch Autor Roger Köppel die «LGBTQ-Verballhornung des Abendmahls»: «Uns ist nichts mehr heilig, am wenigsten das Heilige…. Das, was eigentlich die Grundlage unserer Zivilisation ausmacht, das Christentum, da gehört es mittlerweile zum guten Ton, dass man sich die Füsse daran abstreift.» Seine Reaktion: «Mich stösst das ab, ich finde das gratismutig, ich finde das unendlich billig.»
20minuten: «Christen verhöhnt»
«20minuten» titelt am 29. Juli: «`Christen verhöhnt`: Geistliche und Politiker fordern Antworten». Die Vorwürfe lauten zusammengefasst: Die Szene habe «weltweit Empörung bei gläubigen Christen und Christinnen hervorgerufen», und in «Tausenden Beiträgen in den sozialen Medien beschweren sich Menschen in den unterschiedlichsten Sprachen». Durch die Darstellung des letzten Abendmahls durch Dragqueens verhöhnten die Organisatoren den christlichen Glauben, «trauten sich aber nicht, dasselbe mit dem jüdischen oder muslimischen Glauben zu machen». Alles in allem: «Die Olympischen Spiele seien der falsche Ort, um Werbung für Diversity oder Wokeness zu machen.»
Zitiert wird u.a. der ehemalige Generalvikar und Philosoph Martin Grichting, der einen lesenswerten Artikel in der NZZ vom 29. Juli unter der Überschrift verfasst «Das olympische Dragqueen-Abendmahl von Paris verspottet Christen. Hätte man den Mut auch für die Satire auf einen gewissen Propheten gehabt?»: Das IOK (Internationales Olympisches Komitee) habe sich laut Grichting «mit einem PR-Stunt beim Wokeismus angedient», wodurch der olympische Gedanke «selbst zur Satire geworden» sei. Das IOK und Frankreich hätten deshalb «im Namen Olympias nicht nur die Menschen gespalten, anstatt sie zu einen», sondern auch «an den Grundfesten des Westens gesägt», zitiert ihn «20minuten».
Freikirchenverband: «Betroffen von Olympia-Eröffnung»
«20minuten» zitiert auch den Dachverband «Freikirchen.ch», der am 28. Juli unter dem Titel «Betroffen von Olympia-Eröffnung» eine Medienmitteilung herausgab. Die Feier in Paris «zeigte eine herabsetzende Darstellung des Abendmahls und beleidigt damit das Christentum», so der Freikirchenverband. Er fordert «die 107 Mitglieder des IOK sowie IOK-Präsident Thomas Bach mit sieben Punkten heraus, sich jetzt zu erklären». Unter den sieben kritisierten Punkten sind u.a. die «Respektlosigkeit gegenüber dem Christentum» erwähnt: Die «herabsetzende Darstellung des Abendmahls» werde von «Christen aus der ganzen Welt als respektlos, ja bösartig gegenüber ihren religiösen Überzeugungen angesehen. Es verletzt ihre Gefühle.» Die Zeremonie fördere Intoleranz und Negativität, lenke vom olympischen Hauptziel ab, sorge für unnötige Kontroversen und gefährde so die Reputation der Olympischen Spiele.
Die beanstandete queere Szene ging später in ein grösseres Bild über und zeigt auch Bacchus im Vordergrund. Freikirchen-Verbandspräsident Peter Schneeberger gibt denn auch in einer facebook-Diskussion zu: «Die Interpretation der erwähnten Szenen kann auch ein Hinweis auf ein Bild mit einer Götterwelt Szene mit vielen Göttern sein (mit Bacchus im Vordergrund) … Der Vergleich mit dem Abendmahl scheint für mich dennoch stichhaltig.»
Politiker: «übertrieben und provokativ»
Zitiert werden in «20minuten» auch Politiker. Mitte-Nationalrätin Maya Bally «würdigt zwar die Kunstfreiheit und den Versuch des Regisseurs, Vielfalt darzustellen. Sie sagt aber auch: 'Die Szene war schon sehr übertrieben und provokativ. Ich glaube nicht, dass man damit der queeren Community einen Gefallen getan hat.'» Mit mehr Fingerspitzengefühl hätte das IOK diese Provokation und die folgende Kontroverse vermieden werden können.»
SVP-Nationalrat Andreas Glarner wird deutlicher: «Das IOK hat entweder nicht hingeschaut oder, und das wäre noch viel schlimmer, diese Darstellung bewusst zugelassen. Das ist reiner Hohn für Christinnen und Christen, nie hätten das IOK oder der Künstler sich getraut, auf dieselbe Art Muslime zu verhöhnen. Das IOK muss jetzt hinstehen und sich erklären.»
Kommentar von Reinhold Scharnowski: Alles halb so schlimm?
Christen in den sozialen Medien urteilen kontrovers über die ganze Szene. Eher bekenntnismässig ausgerichtete Gläubige drücken Verletzung und Empörung über die queere Abendmahls-Verhöhnung aus. Vertreter der postevangelikalen und der dekonstruktiven Szene finden das Ganze «nicht so dramatisch», rufen wie immer zu Liebe auf und verweisen immer wieder mal auf das Schlimme, das queere Menschen von «der Kirche» her erlebt haben.
«Was sind wir doch für naive, rückständige und enge Typen», findet «Leiterblogger» Lothar Krauss und stellt mit spitzer Feder geschickt die beiden Stellungnahmen zusammen. Ist es wirklich eine «zu fein eingestellte Alarmanlage», die sämtliche Glocken läuten lässt? Sind die, die hier reflexartig reagieren, verbohrt und ewiggestrig?
Primär- und Sekundärreaktion
Wenn man die queere Abendmahlszene auf sich wirken lässt, gibt es eine Primär- und eine Sekundärreaktion. Die erste Reaktion eines Christen, der sich dem Erlöser der Welt verpflichtet weiss, ist – jedenfalls bei mir – Empörung und irgendwie ein Brechreiz. Dass das Ganze so schleichend-schlangenhaft auf der Bühne rumwabert, macht es nicht sympathischer. «Provokation» wollte Regisseur Thomas Jolly, selbst in der LGBTIQ-Szene daheim, und Provokation hat er erreicht. Gegen solche Darstellung muss protestiert werden – und sei es nur wegen der unerträglichen woken Doppelmoral, die grenzenlose Toleranz meinungsdiktatorisch und manipulativ einfordert.
Aber auch – so etwas ist einfach nicht toll. Chesterton bemerkte lakonisch: «Lästerung ist nicht toll. Lästerung ist ihrer Natur nach prosaisch. Sie betrachtet in alltäglicher Weise etwas, das andere und glücklichere Menschen hingerissen und poetisch betrachten.»
Nach einiger Zeit bekommt dann die Sekundärrekation langsam Überhand – mindestens in drei Richtungen. «Gratismutig und unendlich billig» findet Roger Köppel das Ganze. Woke Selbstdarstellung regt den Zeitgeist nicht auf, sie kostet nichts mehr – ausser dass sich ein paar Ewiggestrige drüber echauffieren. Und auch wenn Ästhetik Geschmackssache ist, erstaunt man immer wieder, wie billig eine teure Installation sein kann.
Das andere: «Die Persiflage des letzten Abendmahls durch Dragqueens und ein Transgender-Model hat gezeigt, dass man selbst in der Herzkammer des Laizismus am Christentum immer noch nicht vorbeikommt», schreibt Martin Grichting im erwähnten NZZ-Kommentar. Die Religion sitzt auch ihren Leugnern irgendwie wie ein Stachel im Fleisch.
Vor allem aber: Hey, das ist beste christliche Tradition. Ihr Gründer wurde am Kreuz verspottet und schon ein paar Jahrzehnte später mit einem Eselskopf dargestellt. Und lässt sich trotzdem bis heute nicht davon abhalten, seine Feinde zu lieben und alle möglichen verlorenen Schafe zu suchen, egal, was sie anhaben oder nicht.
Auch der katholische Theologe Johannes Hartl hat sich zu dem Ereignis geäussert, seinen Kommentar können Sie hier sehen.
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