Alice Cooper: Gibt’s den noch?
Alice Cooper (76) ist ein Urgestein der Rockmusik. Als die Bühnenshows in den 1970er Jahren immer opulenter und glitzernder wurden, setzte er einen deutlichen Akzent dagegen. Vincent Damon Furnier, wie der US-Musiker eigentlich heisst, schminkte sich die Augen schwarz und brachte eine riesige Guillotine auf die Bühne, mit der er regelmässig seine eigene Enthauptung spielte. Dazu kamen provozierende, harte Texte und ein «typischer» Lebensstil, geprägt von Alkohol und Drogen.
Was viele verstörte oder anwiderte, zog ebenso viele Menschen an und fasziniert sie bis heute. Cooper gilt als einer der einflussreichsten Hardrock-Musiker. Seit vielen Jahren erzählt er jedoch nicht nur von Klischees und Erfolgen, sondern auch davon, wie Jesus Christus sein Leben verändert hat.
Der «Master of Shock Rock»
Kaum eine Geschichte prägte das Image des Schockrockers so stark wie die des Hühnermords auf offener Bühne. Der «Metal Hammer» hat sie gerade wieder aufgegriffen. Zu Beginn seiner Karriere warf Cooper ein Huhn, das sich in Toronto auf die Bühne verirrt hatte, ins Publikum. Die Menge tötete es und warf es zurück. Die Presse nahm das blutige Ereignis dankbar auf – sie passte ins Klischee. Als Produzent Frank Zappa ihn kurz darauf anrief, um Details zu hören, erklärte Cooper ihm, dass er dachte, das Huhn könnte fliegen, deshalb hätte er es zu den Menschen geworfen. Ausserdem hatte er natürlich nicht das Blut des Tieres getrunken! Zappa war trotzdem begeistert: «Erzähl das bloss keinem. Die lieben es. Es ist überall in der Presse!» So entstand manches vom Horror-Image des Musikers zufällig, an anderem arbeitete er aktiv – wie dem Verwenden von Zwangsjacken oder dem Auftritt einer peitschenschwingenden Domina auf der Bühne. Der Erfolg schien im recht zu geben: «Es war irre. Ich musste gar nichts tun, die Leute erfanden einfach ihre eigenen Geschichten. Sie fingen gerade erst an, Alice Cooper zu entdecken. Und ich eigentlich auch.» Doch während die Kunstfigur Alice Cooper immer weiter in den Vordergrund rückte, verschwanden die Wurzeln von Vincent Damon Furnier. Glaube und Gott spielten in dieser Zeit für den Sohn eines Pastors keine Rolle mehr.
«Dass ich lebe, ist ein Wunder»
Zum stressigen Leben als Künstler gehörte für Cooper auch Alkohol. Das Trinken gefiel ihm – und es blieb lange ohne sichtbare Auswirkungen. Zum einen erwartete man von einem Rocker nichts anderes, zum anderen funktionierte er als Musiker auf der Bühne auch mit Alkohol im Blut. Jahrelang ging es ihm damit scheinbar gut, bis der Körper irgendwann streikte und er Blut erbrach. Seine Frau Sheryl brachte ihn ins Krankenhaus. Cooper verstand den Schuss vor den Bug und hörte von einem Tag auf den anderen auf zu trinken.
«Das Wunder war, dass Gott meine Sucht einfach wegnahm. Ich hatte nie wieder das Verlangen nach einem Drink… Ein absolutes Wunder. Ich glaube an Wunder», erzählte er später der ZEIT. «Ich bedaure diese Erfahrung trotz allem nicht. Allein deshalb nicht, weil sie mich zurück zum Christentum geführt hat. Ich war der verlorene Sohn.» Eine echte Begründung für diese Umkehr hat der Musiker nie gegeben. Sie sei einfach geschehen. Zu seinem 75. Geburtstag zitierte jesus.de eine frühere Aussage von ihm: «Du kannst Gott aufgeben, aber Gott gibt dich nicht auf. Der Glaube kam einfach zurück zu mir, und ich habe bis heute keine Erklärung dafür.»
Immer noch der Alte
Diese Ereignisse sind inzwischen über 40 Jahre her. Warum sollte man also heute darüber berichten? Gerade tourt Alice Cooper durch Europa und seine Bühnenshows sind immer noch provozierend. Sollte er das als alter Mann und Christ nicht ändern? Cooper meint dazu: «In meiner Show gibt es nichts Satanisches. Dort gibt es eine Menge schwarzen Humor und andere lustige Dinge. Blasphemische Aspekte wird es aber nie geben.» Trotz Schockelementen endet jede Aufführung mit Alice im weissen Frack. Bis heute polarisiert der Mann mit dem düsteren Image, doch dass sein Glaube nur eine Marketingaktion wäre, kann man ihm nicht vorwerfen: Seit 48 Jahren ist er mit derselben Frau verheiratet. Jahrelang hat er sich in seiner Kirche in der Sonntagsschule engagiert und besucht immer noch gern die Gottesdienste. Während der letzten Jahrzehnte haben zahllose Künstlerinnen und Künstler ihr christliches Wiedergeburtserlebnis medial ausgeschlachtet und sich kurz darauf wieder davon verabschiedet. Cooper liefert damit keine Schlagzeilen – und eigentlich ist genau das eine Schlagzeile wert: Er lebt seinen Glauben einfach.
Alice Cooper ist eine Kunstfigur, die für die Bühne taugt. Danach führt Vincent Damon Furnier ein normales Leben als Ehemann, Vater und liebevoller Opa. Es hört sich fast bieder an, wenn er unterstreicht: «Unsere ganze Familie geht regelmässig in die Kirche. Ich lese auch jeden Tag 20 Minuten in der Bibel. So bleibe ich mit Gott in Verbindung. Nach dem Frühstück lese ich in der Bibel, dann gehe ich neun Bahnen Golfspielen und anschliessend bereite ich mich auf die Show vor.»
Zum Thema:
Cooper in der Schweiz: Alice Cooper und Johnny Depp unter derselben Fuchtel?
Bescheidenheit, die umhaut: Interview mit P.O.D.: «Wir sind gern Brückenbauer»
Jesus am «Hellfest» begegnen: 1'000 Bibeln an Frankreich-Wacken verteilt
Datum: 08.07.2024
Autor:
Hauke Burgarth
Quelle:
Livenet