Obdachlose HOPE-Klienten werden immer jünger
Deborah Schenker, HOPE Baden existiert seit mittlerweile über 40 Jahren – wie hat sich das Werk verändert und was sind heute die wichtigsten Angebote?
Deborah Schenker: Unser Werk entstand 1983 aus der Bewegung der Stadtmission während der grossen offenen Drogenszene in der Schweiz. Als der Platzspitz und Lettenhof in Zürich geschlossen wurden und die Suchtkranken in ihre Gemeinden zurückgeschickt wurden, entstand auch in Baden eine Szene. Die Gründer von HOPE erkannten die Not und starteten darauf mit einer Gassenküche und diakonischer Arbeit. Der niederschwellige Ansatz, Menschen, die durch die Maschen des Sozialsystems fallen, bei akuter Notlage rasch und unbürokratisch zu unterstützen, konnte beibehalten werden. Ebenso ist die Motivation für diese Arbeit, die auf christlicher Nächstenliebe basiert gemäss Matthäus Kapitel 25, Vers 35, uns nach wie vor genauso wichtig wie den Gründern. Was sich geändert hat, ist, dass wir mittlerweile eine soziale Institution mit Betriebsbewilligung und Zertifizierungen sind mit über 40 Angeboten und dadurch zu einem kleinen Unternehmen gewachsen sind.
Welchen Unterschied macht HOPE Baden für die Menschen, die durch das Werk betreut werden?
HOPE unterstützt Menschen dabei, Obdachlosigkeit zu vermeiden, indem es ihnen ein Dach über dem Kopf bietet, wenn sie von anderen Institutionen abgewiesen werden. Es hilft ihnen, aus der Obdachlosigkeit auszusteigen und verleiht ihnen Würde und Wert, unabhängig von ihrem sozialen Status. Oft kommen die Menschen zu uns, nachdem alle anderen Optionen erschöpft sind und sie entmutigt sind durch zahlreiche gescheiterte Versuche. Unser Ziel ist es, dass sie erst einmal ankommen können und einen sicheren Ort finden, um in Ruhe die nächsten Schritte zu planen. Dabei bietet HOPE Struktur für ihren Tag und deckt alle lebensnotwendigen Bedürfnisse ab. Viele finden in unserer Gemeinschaft und durch Beschäftigung wieder Lebenssinn und Lebensmut. Einige bleiben auch nach dem Finden einer eigenen Wohnung mit HOPE verbunden und engagieren sich weiterhin als Freiwillige, denn für viele wird HOPE zu einer Art Familie.
Was wäre, wenn es HOPE Baden nicht geben würde?
Dann würden die Menschen wie in anderen Orten an den Rand gedrängt und müssten in grössere Städte wie Zürich oder Basel ausweichen. Die aktuellen Zahlen bestätigen die Wichtigkeit unserer Arbeit. Im letzten Jahr hatten wir eine fast 20 Prozent höhere Belegung im Übergangswohnheim als im Vorjahr, und auch die Übernachtungen in der Notschlafstelle sind angestiegen. Unsere Klienten werden immer jünger bei ihrer Obdachlosigkeit und benötigen Betreuung. Deutlich mehr Menschen fragen nach Lebensmitteltaschen, da ihr Budget bei den steigenden Kosten nicht mehr ausreicht. Es wird immer schwieriger, Menschen eine zahlbare Wohnung zu vermitteln. Immer wieder hören wir von unseren Partnern wie Polizei, Kliniken und Sozialdiensten, dass sie nicht wüssten, was sie ohne unsere niederschwellige Arbeit machen würden.
Wann ist für Sie ein Tag ein guter Tag?
Wenn ich erlebe, dass eine Situation, die aus menschlicher Sicht unmöglich erscheint, sich zum Guten wendet und Gott uns mit allem versorgt, was wir brauchen. Wenn wir in unserer komplexen Fallarbeit im Team einzigartige kreative Lösungen finden, die dem Betroffenen neue Perspektiven und nachhaltige Wohnformen vermitteln. Wenn Menschen dankbar sind für unsere Arbeit und Mitarbeitende in ihren täglichen Herausforderungen über sich hinauswachsen. Wenn wir erleben, wie Gott auf unsere Gebete antwortet und uns täglich neue Liebe und Kraft für die Menschen schenkt.
Was ist Ihr Herzensanliegen?
Dass wir bei HOPE trotz aller Institutionalisierung immer unseren familiären und unbürokratischen Charakter bewahren, denn dieses Beziehungsangebot auf Augenhöhe bildet die Basis unserer Arbeit. Dass wir als Team gemeinsam noch tiefer von Gottes Liebe berührt werden und diese Liebe weitergeben können. Dass es noch mehr Wege gibt, Menschen mit psychischen Erkrankungen und Suchterkrankungen zu helfen.
HOPE Baden organisierte auch schon ein öffentliches Fest – was ist für 2024 geplant?
Wir hatten das Privileg, 2023 unser erstes grosses Jubiläumsfest nach der Corona-Pandemie unter dem Motto «Open Hearts» zu feiern, um 40 Jahre HOPE zu zelebrieren. Dabei haben wir erneut die Freude am Feiern entdeckt und planen nun für den 15. November 2024 das nächste HOPE-Fest, das gleichzeitig mit unserem Sponsorenanlass verbunden wird. Die Kultur des Miteinanders prägt unsere Arbeit, und dieses Fest soll erneut vermitteln, dass alle willkommen sind, dass wir keine Unterschiede machen und Berührungsängste abbauen wollen. Aus diesem Grund haben wir im Organisationsteam Mitarbeitende, Freiwillige und Klienten einbezogen, und das Motto für das Fest lautet: «Ein Platz für alle». Unsere Klienten überraschen uns immer wieder mit kulinarischen Köstlichkeiten. Daher werden sie auch bei diesem Fest die Gäste mit Spezialitäten aus ihren Herkunftsländern verwöhnen.
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Datum: 11.03.2024
Autor:
Daniel Gerber
Quelle:
Livenet