Nigeria: Massaker an 200 Christen löst weltweit Entsetzen aus
Die Angreifer töteten nicht nur Dorfbewohner, sondern setzten auch Kirchen, Getreidespeicher und Kliniken in Brand. Gebäude von Muslimen blieben unangetastet. Die Angriffe begannen in der Nacht des 23. Dezember und dauerten bis zum ersten Weihnachtstag. Die Dörfer seien nachts überfallen worden, berichteten Überlebende. Viele Menschen wurden gekidnappt, andere getötet und ihre Hütten angezündet. Die Dorfbevölkerung habe erfolglos versucht, die staatlichen Sicherheitskräfte zu alarmieren. Innerhalb weniger Minuten standen viele Häuser bereits in Flammen. Man hörte, wie eingeschlossene Menschen um Hilfe schrien.
Armee beteiligt?
Das katholische Hilfswerk Aid to the Church in Need (ACN) erklärte, die Anschläge zu Weihnachten seien «gut koordiniert, mit schweren Waffen ausgeführt und gezielt gegen christliche Gemeinschaften gerichtet» gewesen. Überlebende beschuldigten muslimische Fulani-Hirten als Täter. Wie das Hilfswerk CSI International berichtet, hätten mehrere Zeugen ausgesagt, dass die Armee am koordiniert ausgeführten Angriff mitbeteiligt war. «Ein Pfarrer, der mit dem Leben davonkam, dessen Haus aber niedergebrannt wurde, zeigte Patronenhülsen von grosskalibrigen Geschossen in den Armeefarben. Man habe viele davon gesammelt, sagte er. Die Kugeln seien von Panzern abgefeuert worden», so CSI.
UN verurteilt Massaker
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat das Massaker im Norden Nigerias verurteilt, wie «Vatican News» berichtete. «Ich fordere die nigerianischen Behörden auf, diesen Vorfall unverzüglich, gründlich und unabhängig zu untersuchen», erklärte Türk am Donnerstag in Genf.
Die Täter müssten in fairen Verfahren zur Verantwortung gezogen und der Kreislauf aus Straflosigkeit und neuer Gewalt dringend durchbrochen werden. Zudem müsse Nigerias Regierung die Ursachen des dahinter liegenden Konflikts angehen. Auf den christlichen Hintergrund der Opfer ging Türk nicht ein.
Fulanis schlimmer als Boko Haram?
«Viele Beobachter halten die radikalisierte Fulani-Miliz inzwischen für eine grössere Bedrohung als die Terrorgruppen Boko Haram und Islamischer Staat-Provinz Westafrika», so Paul Robinson, CEO des Hilfswerks «Release International». «Beide Organisationen haben geschworen, Nigeria in eine islamische Nation zu verwandeln. Und die Fulani-Milizen verfolgen mit der ethnischen Säuberung der Christen im Norden und im Mittleren Gürtel die gleiche Agenda.» Die Hinweise verdichten sich in letzter Zeit, dass Fulani-Gruppen mit Boko Haram in Verbindung stehen.
Unfähigkeit der Sicherheitskräfte
«Die Unfähigkeit der nigerianischen Sicherheitskräfte, die christliche Minderheit des Landes zu schützen, wird weltweit wahrgenommen», erklärte Robinson.
Auch Erzbischof Ignations Kaigama aus Nigerias Hauptstadt Abuja macht neben der wirtschaftlichen Krise die schlechte Regierungsführung für die andauernde Gewalt an Christen verantwortlich. Parteiführer und Parteien seien derzeit allein mit der Konsolidierung ihrer Macht nach den Wahlen und laufenden Gerichtsverfahren beschäftigt, sagte er gegenüber dem katholischen Hilfswerk «missio» und forderte erneut: «Unsere Kirchen müssen angemessen geschützt werden.» Insbesondere an den Weihnachtsfeiertagen hätte es von Seiten der nigerianischen Sicherheitsbehörden eines wirksamen Schutzes bedurft, kritisierte missio-Leiter Pfarrer Dirk Bingener.
«Weder Gott noch die Geschichte werden vegeben»
Auch Bischof Matthew Kukah von der Diözese Sokoto in Nordnigeria forderte den neu gewählten nigerianischen Präsidenten Bola Tinubu auf, sofort Massnahmen zum Schutz des nigerianischen Volkes zu ergreifen und sagte ihm: «Sie haben keine Ausreden vor Gott oder dem nigerianischen Volk» und dass «weder Gott noch die Geschichte Ihnen vergeben werden, wenn Sie versagen».
In seiner Ansprache, die vom Nigeria Catholic Network veröffentlicht wurde, betonte der Bischof auch, dass «die Nigerianer fast die Hoffnung verloren haben», dass «eine Regierung sich wirklich und wahrhaftig um sie kümmern kann».
Nigerias Präsident Bola Tinubu hatte nach seiner Amtsübernahme im Mai versprochen, die Gewalt in Plateau zu beenden, sich dabei aber in einen Machtkampf mit Gouverneur Mutfwang verheddert, der vor Gericht erfolgreich seine Absetzung vereitelte. Am Dienstag erklärte Tinubu, er habe die Streitkräfte angewiesen, die Angreifer aufzuspüren.
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Datum: 06.01.2024
Autor:
Reinhold Scharnowski
Quelle:
Livenet / Christian Today / taz.de