Computer können nicht denken
Der Start ins Symposium fühlte sich an wie ein grosser Tisch, an dem die Familie nach langer Zeit wieder zusammenfindet und alle berichten, wie es ihnen in der letzten Zeit ergangen ist. Die Schulleitenden der rund 20 Schulen der Initiative für Christliche Bildung (ICB) und instruire.ch berichteten, worüber sie dankbar sind, wie sich ihre Schulen seit dem letzten Treffen weiterentwickelt haben und vor welchen Herausforderungen sie stehen. Unter dem Strich darf man sich über eine wachsende und stärker werdende Bewegung von christlichen Schulen in der Schweiz freuen.
Am Nachmittag hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, zweimal aus zwölf Workshops auszuwählen und sich über Projekte anderer Schulen zu informieren oder sich mit Kolleginnen und Kollegen über spannende Fragen auszutauschen. Dazwischen bestand viel Zeit, bestehende Beziehungen zu vertiefen und neue Leute kennenzulernen.
Zuviel Bildschirm raubt die Zukunft unserer Kinder
Am Freitagabend stand mit dem öffentlichen Vortrag von Professor Manfred Spitzer schon der Höhepunkt des Anlasses auf dem Programm. Der Saal der Christuskirche in Biel war bis auf den letzten Platz besetzt. Professor Spitzer ist Psychiater und Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Ulm. In einem ersten Teil erläuterte Prof. Spitzer die Funktionsweise unseres Gehirns. Eine wichtige Erkenntnis sei, dass im Gegensatz zum Speicher eines Computers unser Gehirn nie voll sein kann. Ganz im Gegenteil: Je mehr wir unser Gehirn brauchen, desto schneller kann es neue Informationen aufnehmen und verarbeiten.
Diese Erkenntnis sei gerade mit Blick auf kleine Kinder entscheidend. Je jünger ein Kind ist und je mehr es Bildschirmmedien konsumiert, desto grösser der Schaden auf dessen Entwicklung und Gesundheit. Zuviel Handykonsum führt unter anderem nachweislich zu Haltungsschäden, Schlaf- und Aufmerksamkeitsstörungen, Ängsten, Depressionen und schlechteren Schulleistungen. Es beeinträchtige weiter die Kreativität sowie die eigenständige Willensbildung und vermindere die Empathiefähigkeit (das Mitgefühl) gegenüber Eltern und Freunden. «Junge Menschen nicht davor zu schützen, wäre verantwortungslos», folgerte der Referent und setzte damit ein Doppelpunkt für die am Samstag folgenden Vorträge.
Computer nicht vermenschlichen
Paula Bleckmann, Professorin für Medienpädagogik an der Alanus Hochschule Bonn, hinterfragte in ihrem Vortrag den im Lehrplan 21 verankerten Begriff der Medienkompetenz, der aus ihrer Sicht sehr unterschiedlich verstanden und gefüllt wird. Sie kritisierte die oft gesehene Vermenschlichung von Computern bzw. digitaler Medien in Lehrmitteln, zum Beispiel, wenn ein Computer mit dem menschlichen Gehirn verglichen wird oder Alexa zur besten Freundin wird. Nach Paula Bleckmann muss es daher darum gehen, Kinder und Jugendliche zur Medienmündigkeit zu führen: «Sie sollen begreifen, dass Computer nicht denken, sondern nur rechnen können.» Um ganz praktisch zu erfahren, wie informatische Bildung gestaltet werden kann, liess die Referentin die Teilnehmenden geheime Botschaften entschlüsseln und Geheimsprachen erfinden.
Analog vor Digital
Ebenso praktisch ging es weiter mit einer reichhaltigen Ausstellung von analogen Lehrmitteln und Spielen. Verantwortlich dafür war Brigitte Pemberger, Lehrerin, Forscherin und Autorin des Buchs «Analog vor Digital», welches im Dezember erscheinen wird. Sie setzt sich für eine sogenannte Analog-Digidaktik für eine fortschrittliche und nachhaltige Medienbildung ein. An verschiedenen Posten konnten die Teilnehmenden des Symposiums Mittel und Wege kennenlernen, die sich ganz praktisch im Unterricht umsetzen lassen und klarmachen, dass es bessere Alternativen zu Tablets im Kindergarten gibt.
Menschsein ist zugleich Bildungsauftrag
Die Grundlage für diese menschengerechte Medienbildung lieferte Nicolas Matter in seinem Vortrag über das Wesen des Menschen aus theologischer und anthropologischer Sicht. Er zeigte auf, dass der Mensch mit einem freien Willen ausgestattet ist und damit die Möglichkeit und den Auftrag hat, mit der Welt um sich herum und mit anderen Menschen in Beziehung zu treten. Dies hebe ihn vom Computer ab, der nur die Wahl zwischen 1 und 0 hat. Dieser freie Wille sei sowohl eine Gabe, als auch eine Aufgabe. Und um diese Aufgabe gut erfüllen zu können, müsse sich der Mensch bilden. Als Ziel dient uns Jesus Christus, wie er mit Hingabe und Liebe die Beziehungen zu seinen Nächsten und zur Welt gelebt hat.
Smartphones prägten uns demgegenüber in eine völlig andere Richtung: Selbstdarstellung führt zu Selbstbezogenheit, Beziehungen werden digitalisiert, die Welt ist stets verfügbar und alles lässt sich mit ein paar Klicks kaufen, sogar Attraktivität, Freundschaft und Bewunderung. «Wir müssen uns bewusst sein, dass die Anwendung von Technik uns selbst, unser Verhältnis zu anderen und zur Welt verändert», gab Nicolas Matter den anwesenden Lehrpersonen mit auf den Weg.
Das Bildungssymposium wurde von der Initiative für Christliche Bildung (ICB), den Vereinigten Bibelgruppe (VBG) und Instruire organisiert. Gastgeber waren die Schulkooperative und die landeskirchliche Gemeinschaft Jahu Biel. Über die Website der ICB kann der Vortrag von Prof. Spitzer nachgeschaut werden.
Zur Website:
ICB
Zum Thema:
ICB feiert 10-jähriges Jubiläum: David Schneider: «Idee der Bildung ist tief christlich»
Faktencheck Christentum: Ohne die Bibel wären wir immer noch Analphabeten
ISTL auf neuen Pfaden: Erfolgreicher Start in Dresden: «eine Gebetserhörung»
Datum: 29.11.2023
Autor:
Markus Zuberbühler
Quelle:
Initiative für christliche Bildung