Was geschah in Al-Ahli?
Das Al-Ahli-Spital im Süden von Gaza-Stadt wird von der Episkopalkirche in Jerusalem (Anglikanische Gemeinschaft) betrieben. Es wurde 1882 gegründet und ist das einzige christliche Krankenhaus in Gaza. Das Krankenhaus ist überfüllt mit schutzsuchenden Palästinensern, und am 17. Oktober fand direkt neben dem Spital eine gewaltige Explosion statt.
In einer Erklärung verurteilte die Episkopalkirche in Jerusalem den «grausamen Angriff» aufs Schärfste. «Die Verwüstung, die wir erlebt haben, und die Tatsache, dass die Kirche zum Ziel eines Sakrilegs wurde, zielt auf das Herz des menschlichen Anstands», heisst es in dem Text. In einer 30-minütigen Pressekonferenz, die die Leitung der Episkopalkirche in Jerusalem am 18. Oktober nachmittags abhielt, sagte Erzbischof Hosam Naoum, ihm lägen keine konkreten Zahlen über die im Krankenhaus getöteten Opfer vor. Er erfuhr erst von der Explosion, als er an einer interkonfessionellen Gebetsversammlung für Frieden und Versöhnung in Jerusalem teilnahm.
Auf die Frage, wer hinter dem Anschlag stecke, sagte Hosam Naoum: «Wir sind keine Militärexperten», und fügte hinzu: «Was wir wissen, ist, dass das Krankenhaus ein Zufluchtsort ist, und was geschehen ist, ist ein Verbrechen, ein Massaker..
Woher kam die Rakete?
Die Hamas war schnell, Israel für den Angriff verantwortlich zu erklären und sprach von «Hunderten von Toten». Die israelische Armee (IDF) wies die Beschuldigung scharf zurück, erklärte, sie greife keine Spitäler an und brachte mehrere Gründe, die eine andere Erklärung fordern:
- Auf dem Parkplatz sind viele verbrannte Autos, aber kein Einschlagkrater zu sehen, wie er für israelische Raketen typisch wäre, auch keine Zerstörungen an den umliegenden Gebäuden. Die Bilder lassen annehmen, dass die Autos durch vergossenes Raketenantriebsmittel (Propellant) in Brand geraten sind. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari erklärte am Mittwoch vor Journalisten in Tel Aviv: «Der Treibstoff hat eine grössere Explosion ausgelöst als der Sprengkopf selbst.» Darum seien Fahrzeuge in Brand geraten.
- Ein Spezialist von «OSINTtechnical», das sich auf die Auswertung von Opensource-Daten spezialisiert hat, erklärt, dass die Explosion auf dem Parkplatz vor allem Flüchtende getroffen habe, die sich auf der Wiese vor dem Spital aufhielten. Viele von ihnen seien schlimm verbrannt; er schätzt die Zahl der Opfer auf 30 bis 50. Auch die Agentur AFP berichtete unter Berufung auf einen europäischen Geheimdienstmitarbeiter, «man gehe in Europa eher von wenigen Dutzend Toten aus», wie die FAZ berichtet.
- Die Hamas habe sofort gewusst, dass es sich um eine fehlgeleitete Rakete des Islamischen Jihad gehandelt habe, und dennoch versucht, Israel verantwortlich zu machen, sagte Armee-Sprecher Daniel Hagari. Israel zufolge dienten ausserdem zwei unabhängige Videos als weiterer Beweis für eine fehlgeleitete Rakete. Man will die Beweise an Israels Verbündete weitergeben, allen voran die USA, berichtet «20 Minuten».
- In einem Video ist der Raketeneinschlag deutlich zu sehen, zudem wird hier auch der Ort deutlich. Die Rakete, die zu der Explosion im Krankenhaus geführt hat, scheint dabei zunächst in der Luft zu explodieren, kurze Zeit später sind zwei Explosionen am Boden zu sehen. Eine kleinere etwas weiter entfernt vom Krankenhaus, eine grössere dann in unmittelbarer Nähe, wie die ARD-Tagesschau berichtet.
- Die Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlicht ein Gespräch mit dem Raketenexperten Fabian Hinz, der erklärt: «Das war keine israelische Fliegerbombe.»
US-Präsident Joe Biden stützte die israelische Darstellung bei seinem Treffen mit dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Tel Aviv: «Auf Grundlage dessen, was ich gesehen habe, scheint es so, als sei es von der Gegenseite ausgeführt worden, nicht von euch.» Biden stütze sich dabei auf «Daten, die mir mein Verteidigungsministerium gezeigt hat».
Palästinenser und Sympathisanten weltweit erklärten ihre grosse Wut über den angeblichen israelischen Angriff, mehrere arabische Länder verurteilten die «Bombardierung der Klinik durch israelische Streitkräfte». Die Europäische Union forderte eine unabhängige Untersuchung des Geschehens. Und der griechische Tragödiendichter Aischylos prägte vor zweieinhalb Jahrtausenden den Kernsatz «Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer».
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Datum: 21.10.2023
Autor:
Reinhold Scharnowski
Quelle:
Livenet