«Die Juden sollen Israel bewohnen, sagt der Koran»
In der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 27. Februar begründet der deutsch-algerische Islamwissenschaftler, Philosoph und Religionspädagoge Abdel-Hakim Ourghi (Freiburg/D) anhand des Korans, warum Muslime irren, wenn sie unter Berufung auf den Propheten Mohammed Ansprüche auf das Land Israel erheben.
«Viele kennen den Koran nicht oder nicht gut genug»
Ourghi erlebt in vielen Gesprächen, dass sich Muslime immer wieder auf den Koran berufen, wenn sie die «zionistische Besatzung» des Landes Israel angreifen – die meisten aber nicht sagen können, in welcher Sure das denn nun steht. Mit gutem Grund: «Im Koran kommt weder der Name Jerusalem explizit vor, noch wird erwähnt, Jerusalem sei die Stadt der Muslime. Auch der Name 'Palästina', der für die Region spätestens ab römischer Zeit etabliert war, kommt im Koran nicht vor», so der islamische Schriftgelehrte.
Mohammed hat bekanntlich in der ersten Zeit seiner Karriere einen friedlichen Dialog mit den Juden geführt. Als sie seine neue Religion nicht annehmen wollten, schlug dies in Judenfeindschaft um. Trotzdem: «Insgesamt zehnmal spricht der Koran von der Gabe des Landes an die Kinder Israels», sagt Ourghi und zitieret unter anderem die Sure 17: «Und wir sagten zu den Kindern Israels: 'Bewohnt das Land!'»
Mohammeds Exodus
Die Auswanderung Mohammeds und seiner Anhänger von Mekka nach Medina im Jahre 622 wird im Koran mit der biblischen Verheissung des Landes Israel an die Juden verglichen, die Mohammed als Vorbild für seine Auswanderung nach Medina diente. «Der Koran folgt uneingeschränkt der alttestamentlichen Tradition und bekräftigt mit Nachdruck die Verheissung des Landes an die Juden», so Ourghi. «Die Übernahme der biblischen Überlieferung in den Koran verweist auch deutlich darauf, dass nicht die Muslime die Erben des Heiligen Landes und Jerusalems sind. Für Mohammed blieb der Tempel in Jerusalem der Besitz der Kinder Israels. Er war kein Schauplatz seiner politisch-religiösen Interessen, weil es noch weit ausserhalb seines Machtbereiches lag.»
Auch nicht in der Tradition
Die zweite Quelle der islamischen Lehre ist die «Tradition des Propheten». Auch sie, so Ourghi, enthält «keinen Hinweis darauf, dass Jerusalem den Muslimen gehöre. Das religiöse und politische Wirken des Propheten zeigt deutlich, dass er kein Interesse an Jerusalem hatte. Daher kann kein muslimischer Anspruch auf Jerusalem erhoben werden.» Selbst der ultrakonservative Gelehrte Ibn Taimiyya (1263 bis 1328) sieht Jerusalemverehrung kritisch: «Sie gilt ihm als unerlaubte Innovation, die mit dem islamischen Glauben nichts zu tun habe.»
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Mohammed gesagt haben soll, «die besten Menschen seien jene, die nach Jerusalem pilgerten» und «dass ein Gebet dort so viel Werte wie tausend Gebete an anderen Orten habe». In einer anderen nachkoranischen Überlieferung heisst es: «Wer nach Jerusalem pilgert und dort betet, wird noch im selben Jahr von allen seinen Sünden gereinigt.»
Ourghis eindeutiges Fazit: «Nirgendwo im Koran steht, dass dieses 'Land' den Muslimen heilig oder gar verheissen sei. Die religiöse Aufladung des Heiligen Landes und 'Palästinas' ist eine muslimische Projektion eigener Phantasien, die im Laufe der Zeit und vor allem nach der Gründung des Staates Israel entstanden ist. Der Koran folgt der alttestamentarischen Tradition und bekräftigt die Verheissung des Landes Israel an die Juden.»
«Zeichen der Hoffnung»
Diese Faktenlage werde – trotz antisemitischer Verschwörungstheorien in den letzten Jahren – immer mehr anerkannt, so Ourghi: «Dass in den letzten Jahren einige arabisch-muslimische Regierungen, wie etwa von Marokko, Bahrain, des Sudans und der Vereinigten Arabischen Emirate das Land Israel anerkannten, ist ein grosser Schritt in Richtung Frieden zwischen Juden und Muslimen.»
Hoffnung komme neuestens aus Pakistan: Der geistliche Vorsitzende der pakistanischen Partei Jamiat Ulema-e Islam, Maulana Mohammed Khan Sherani, habe 2020 vor laufender Kamera erklärt: «Das Land Israel gehört den Juden und nicht den Palästinensern.» Er selber stehe ein für eine Normalisierung der Beziehungen mit dem Staat Israel. Weiter empfahl er den Muslimen, den Koran genau zu lesen.
Gleichzeitig hält Ourghi fest: Auch wenn sich kein muslimisches «Recht auf Palästina» aus dem Koran und der Tradition ableiten lässt, hat «die angestammte palästinensische Bevölkerung Jerusalems oder des Westjordanlands einen legitimen rechtlichen und politischen Anspruch auf ihren Grundbesitz».
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Datum: 02.03.2023
Autor:
Reinhold Scharnowski
Quelle:
Livenet / NZZ