Ist das Christentum schuld daran, dass Europa ungebildet ist?
Warum? Weil die Christen alles getan haben, um ihn zu stoppen. Gottlose Wissenschaftler wie Galileo Galilei, Kopernikus und Giordano Bruno mussten diesen Fortschritt im Kampf gegen das Christentum mit ihrem Blut erkaufen.
Religion als Wiege des Fortschritts
Ungefähr das ist es, was viele moderne Europäer glauben. Daran stimmt aber nichts. Denn keiner dieser drei noch irgendeiner der frühen Wissenschaftler sah sich als gottlos. Ganz im Gegenteil. Zudem müssen wir uns bewusst sein, dass die Kirche die Möglichkeit gehabt hätte, den wissenschaftlichen Fortschritt zu verbieten und die Forscher flächendeckend zu verfolgen, wenn sie es denn wirklich gewollt hätte. Doch das Einzigartige an der Geschichte Europas ist, dass sich hier im Gegensatz zu anderen Kontinenten die Religion aufs Ganze gesehen nicht als Hinderer, sondern als Wiege des wissenschaftlichen Fortschritts entpuppte.
Zwar war es den alten Chinesen, Ägyptern, Griechen, Römern und Arabern schon lange zuvor gelungen, mitunter erstaunliche Entdeckungen zu machen. Trotzdem gelang keinem dieser Völker ein bleibender Durchbruch. Im Gegenteil: Das meiste Wissen ging im Laufe der Zeit wieder verloren. Die wissenschaftliche Revolution geschah in Europa und begann ausgerechnet im vermeintlich finsteren Mittelalter.
Neun Bedingungen, die erfüllt sein mussten
In der Tat hätte es sehr wohl sein können, dass der Durchbruch nie geschehen wäre, denn dafür mussten viele Bedingungen erfüllt sein. Es genügt ja nicht, wissenschaftliche Erkenntnisse zu machen (1). Das Wissen muss irgendwo gesammelt (2), über lange Zeit geschützt und bewahrt (3) werden. Auch das ist noch zu wenig. Es müssen laufend neue Erkenntnisse (4) erarbeitet werden. Dies allerdings ist nur möglich, wenn die vorherrschende Kultur es erlaubt (5). Doch die Zivilisationen des Altertums waren grösstenteils Ehrenkulturen, die allem Neuartigen prinzipiell ablehnend gegenüberstehen.
In Europa dagegen begannen manche Klöster schon früh, Bibliotheken und Schulen anzulegen. Sie wurden Zentren der Gelehrsamkeit und alle frühen Universitäten entwickelten sich daraus. Es gibt nichts prinzipiell Wissenschaftsfeindliches am biblischen Glauben (6). Die meisten Völker entwickelten allerdings schon alleine deswegen keine Wissenschaft, weil sie die Aktivitäten der Natur Geistern zuschrieben. Das, was sie unter Wissenschaft verstanden, waren also grossenteils Regeln und Tipps für den Umgang mit Dämonen bzw. Aberglaube. Der Glaube an den Sieg des Messias über die Dämonen befreite aber die Europäer vom grössten Hindernis, welches andere Völker daran hinderte, die Natur zu erforschen: Die Angst vor der Rache der Geister (7)!
Griechen, Chinesen und Ägypter verloren schliesslich ihr Interesse an der Naturwissenschaft. Der Grund, weshalb es dort nie zu einer vollen Entwicklung der Wissenschaften kam, war nicht zuletzt die fehlende Erwartungshaltung. Sie erwarteten gar nicht, dass es allgemein gültige Naturgesetze und einen Code zu deren Entschlüsselung geben könnte. Woher sollten sie auch diese Idee nehmen? Sie glaubten ja, dass es viele Götter gebe, die im Widerstreit miteinander standen. Die Bibel dagegen lehrte einen einzigen Gott, der explizit als Schöpfergott dargestellt wird, und die Natur durch seine Worte erschaffen habe. Worte aber unterstehen Gesetzmässigkeiten und sind letztlich ein Code. Hier war die Einladung zur Erforschung der Natur (8).
Anfangs war Europa schon alleine deswegen nur oberflächlich christianisiert, weil die meisten Menschen Analphabeten waren. So wurde die vorchristliche Ehrenkultur kaum hinterfragt. Aber in den Evangelien tritt Jesus auf jeder Seite als radikaler Gegner der Ehrenkultur auf. Weil er die Ehre der Hochgeachteten verletzt hat, beschliessen diese, ihn am Kreuz den Ehrentod sterben zu lassen. Diese Feindschaft gegen das Ehrendenken benötigt es, um das Nachplappern der vermeintlichen Weisheiten früherer Generationen zu hinterfragen und echtes Forschen zu ermöglichen. Im Laufe der Jahrhunderte wirkte sich die Haltung des Messias auf die Europäer aus (9).
Bedingungen durch die Bibel geschaffen
Jede dieser neun Bedingungen, die zum wissenschaftlichen Durchbruch notwendig waren, waren also in Europa – und die meisten nur hier – vorhanden, weil sie direkt oder indirekt durch die Bibel geschaffen wurden. Natürlich hat es einzelne Christen oder sogar Kirchen gegeben, welche dem Fortschritt zeitweise hinderlich entgegentraten. Aber das ändert nichts daran, dass diejenigen, welche das wissenschaftliche Fundament legten, von ihrem Glauben an die Bibel dazu geführt wurden. Das war der Motor, der sie vorwärtstrieb. Sogar Galileo Galilei verteidigte sich mit der Bibel in der Hand. Sein Unglück war nur, dass er zur Zeit der Gegenreformation lebte und Lehren vertrat, welche in jenem Zeitpunkt von der katholischen Kirche als protestantische Irrtümer angesehen wurden. Nirgends wird ihm vorgeworfen, Atheist zu sein.
Nicht die Bibel, sondern Aristoteles hatte behauptet, dass die Sonne sich um die Erde drehe. Ausgerechnet er war hochgeehrt im Mittelalter. Niemand getraute sich, ihm zu widersprechen. Einer der Schlüsselpunkte der europäischen Geschichte war, als die «Royal Society of London for Improving Natural Knowledge» es öffentlich wagte, darzulegen, dass die Werke von Aristoteles wissenschaftliche Fehler enthielten. Und die bestand hauptsächlich aus Priestern und Mönchen.
Wenn wir also heute in ein Auto steigen, oder uns ein Flugzeug trägt, sollten wir uns bewusst sein, dass es alles das ohne die Bibel wohl nie gegeben hätte.
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