Enormer Ausfall

«Mit Gottes Hilfe die wirtschaftliche Krise überwinden»

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr: Das «Seminar für biblische Theologie» in Beatenberg ist stark von der Coronakrise betroffen. Der Unterricht vor Ort bleibt aus und die Touristen im Gästehaus fehlen. Zugenommen haben nun die Online-Bibelkurse, erklärt Direktor Felix E. Aeschlimann im Interview mit Livenet.
Felix E. Aeschlimann, Direktor des sbt (Bild: gaestehaus.ch)

Felix Aeschlimann, was bedeutet die Coronakrise für das Seminar und das Gästehaus?
Felix E. Aeschlimann:
Seit Mitte März ist der Präsenzunterricht an allen Schulen in der Schweiz verboten. Wir mussten von einem Tag auf den anderen nach alternativen Unterrichtsmethoden Ausschau halten. Bis wir technisch in der Lage waren, online zu unterrichten, beschäftigten wir die Studierenden mit Leseaufgaben und schriftlichen Arbeiten. Da nicht alle Lehrveranstaltungen online angeboten werden können, braucht es ein hohes Mass an Flexibilität seitens der Dozenten und Studierenden. Die meistern das aber alle hervorragend.

Für das Gästehaus bedeuten die staatlich angeordneten Schutzmassnahmen gegen die Ausbreitung des Virus einen herben Schlag. Wir leben vor allem von Gruppenanlässen und Freizeiten. Da diese verboten sind, fehlen uns jetzt die Gäste. Zudem ist es Touristen seit Wochen verboten, in die Schweiz einzureisen und selbst der Schweizer Bevölkerung wird seit Anfang April fast ununterbrochen empfohlen, touristische Regionen zu meiden und zu Hause zu bleiben. Da braucht man die Schliessung der Hotels nicht mehr staatlich anzuordnen, dies geschieht automatisch. Über die Ostertage wären wir ausgebucht gewesen, nun mussten wir diese Freizeit leider absagen. Bereits stornieren externe Gruppen ihre Anlässe, die sie im Sommer geplant haben und auch unsere eigenen Freizeiten stehen auf der Kippe, da wir nicht wissen, ob Gruppenanlässe mit 100 und mehr Personen im Sommer wieder möglich sein werden. Reisen wird wohl noch monatelang eingeschränkt sein und die Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus oder einer Rückkehr der Pandemie wir auch in Zukunft bestehen bleiben. Das hat massive Auswirkungen für den Tourismus und bedeutet für uns einen enormen finanziellen Verlust.

Was geschieht mit der aktuellen Absolventenklasse?
Dank einer raschen und flexiblen Anpassung des Unterrichts an die geforderten staatlichen Schutzmassnahmen sind wir in der Lage, das Semester regelkonform in der geplanten Zeit abzuschliessen. So können auch unsere Studierenden im Bachelorstudiengang ihre Ausbildung Anfang Juni mit dem Diplom abschliessen und einen Dienst in einer Gemeinde oder einem christlichen Werk starten. Wir freuen uns auf den Herbst, wenn wir hoffentlich wieder im gewohnten Rahmen unterrichten dürfen.

Ende Juni steht das 75-Jahre-Jubiläum auf dem Programm – was ist vorgesehen?
Leider ist es zurzeit eher unwahrscheinlich, dass wir Ende Juni einen grossen Anlass durchführen dürfen und wir deshalb die Feier wohl verschieben müssen. Geplant ist ein buntes Programm mit Talkrunden, Referaten, spannende Einblicke in Gegenwart und Vergangenheit des sbt, Tag der offenen Tür und vielen anderen Aktivitäten. Mit unserer Feier wollen wir den Besuchern die Frage beantworten, weshalb wir das Evangelium Gottes zum Zentrum unseres Lebens und unserer Verkündigung gemacht haben und warum wir nicht auf menschliche Selbsterlösungs- und Selbsttherapien vertrauen. Passend dazu wird auch ein Jubiläumsbuch mit dem Titel erscheinen: «Das Evangelium Gottes: Nicht toter Buchstabe, sondern Worte, die Leben schaffen.»

Was sind gegenwärtig Ihre grössten Herausforderungen?
Das sbt profitiert seit Jahren von jungen Menschen, die als Volontäre oder im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres hier am sbt praktisch mitarbeiten. Diese mussten wir Ende März nach Hause schicken, weil wir schlicht keine Arbeit mehr für sie hatten, beziehungsweise weil Deutschland dies für die IJFDler aus Sicherheitsgründen forderte. Ebenfalls haben wir einen Teil unseres Personals für Kurzarbeit angemeldet. Jetzt gilt es, mit kluger Planung und Gottes Hilfe die wirtschaftliche Krise zu überwinden, die für die meisten Menschen eine grössere Gefahr bedeutet als das Virus selbst.

Sehen Sie auch eine Chance für das sbt?
Ich sehe in jeder Not eine Chance. Sie zeigt uns unsere Abhängigkeit von Gott, treibt uns ins Gebet und gibt unserem Glauben tiefe Wurzeln. Als sbt-Gemeinschaft haben wir mit dem Beginn der Krise ein regelmässiges Fastengebet gestartet. Der Zusammenhalt und die Solidarität wachsen in Krisenzeiten. Unsere vielen Freunde lassen uns finanziell nicht im Stich und selbst die Studierenden unterstützen das sbt mit einem spontanen Sponsorenlauf. Das ermutigt und schweisst zusammen. Wir alle haben seit 75 Jahren keine landesweite Krise in diesem Ausmass erlebt. Es ging uns von Jahr zu Jahr besser. Wenn nun Wohlstand und Gesundheit zu zerbrechen drohen, richtet das unseren Fokus hoffentlich auf das, was wirklich zählt und ewig besteht: Christus, unsere Hoffnung.

Menschen sind nun suchend geworden, im Internet wird viel nach Gebet gesucht. Wenden sich auch suchende Menschen mit ihren Fragen ans sbt?
Wir verzeichnen eine grosse Zunahme bei unseren Onlinekursen für Kinder und für Erwachsene. Wir beten, dass wir als Christen in dieser Krise unseren Glauben reflektieren und dass Oberflächlichkeit und Wohlstandsdenken einer tragfähigen Beziehung zu unserem wunderbaren Gott weicht. Schön wäre, wenn junge Christen Gottes Reich wieder an die erste Stelle setzen und sich für einen Dienst in Gemeinde und Mission ausbilden lassen.

Zur Webseite:
«Gästehaus»

Zum Thema:
Dossier «Coronavirus»
Nierenspende: «Ein Geschenk von meiner Frau»
Beten und Ballern: Praktikum bei Gemeindegründungs-Bewegung in Texas
«Biomimikry»: Modernste Technik lernt bei der Schöpfung

Datum: 17.04.2020
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet